Dorothea

Niklaus ist 30 Jahre alt, als ihm Dorothea Wyss vom andern Ufer des Sarnersees ihr Jawort gibt. Unweit des elterlichen Hauses erstellt man das neue Wohngebäude des jungen Paares. Zehn Kindern werden den Eheleuten geboren, fünf Mädchen und fünf Buben. Erstaunlicherweise stirbt keines diese Kinder. Heute lebt eine grosse Schar von Nachkommen.

wohnhauskomprimiert Das Wohnhaus im Flüeli-Ranft
Als Niklaus in den quälenden Kampf gestossen wird, ob ihn tatsächlich Christus fort von seiner Familie und Arbeit ruft, in eine unmittelbare Nachfolge auf den Pilgerwegen Europas, da  ist auch Dorothea gefragt.  Nach dem geltenden Kirchenrecht muss sie als Ehefrau ihre freie, unerzwungene Einwilligung geben. Nur dann darf ihr Ehemann sie verlassen. Wir können uns vorstellen, dass auch sie in schwere Kämpfe geraten ist. Musste sie ihren Mann freigeben? War das tatsächlich Gottes Wille? So, wie einst die Familien der Apostel diese freigeben mussten?

Für die Familie war äusserlich gut gesorgt. Der älteste Sohn war erwachsen und ohne weiteres in der Lage, den Hof zu führen. Doch die Trennung von ihrem Mann musste Dorothea ins Herz schneiden und auch die Kinder aufwühlen.

Nachdem er in seine Heimat zurückgekommen und im Ranft seinen Platz gefunden hatte, kam es zu vielen gelegentlichen Begegnungen, und Niklaus und Dorothea waren sich auf unterschiedliche Weisen mit Rat und Tat behilflich. Doch blieb ihre eheliche Gemeinschaft getrennt.

Der jüngste Sohn hatte den Namen des Vaters erhalten, Niklaus, „Chlöisli“. Er war drei Monate alt, als der Vater das Haus verliess. Dorothea hat ihn auf sich selbst gestellt so erzogen, dass er Priester werden wollte. Er hat in Basel und Bologna studiert und wurde in Sachseln Pfarrer. Doch er ist schon 1503, 37 Jahre jung, gestorben.

Hans von Waldheim schreibt über seine Begegnung am 26. Mai 1474 mit Dorothea:

„Als wir den halben Weg hinter uns hatten, sagte der Leutpriester Oswald Ysner zu mir, ob ich auch die Frau von Bruder Klaus und seinen jüngsten Sohn sehen möchte. Ich sagte ja. Da zeigte er mir über ein tiefes Tal an einem gefälligen Berg ein Haus und sagte: Da hat Bruder Klaus gewohnt, und da wohnt noch immer seine Frau mit ihrem jüngsten Sohn, und seine älteren, ver­heirateten Söhne wohnen auch nicht weit weg.

Er führte mich zu ihr und zu ihrem Sohn. Ich gab ihr die Hand und auch dem Sohn und wünschte ihnen einen guten Morgen. Seine Frau ist eine noch hübsche junge Frau unter 40 Jahren mit einem hübschen Gesicht und einer faltenlosen Haut.

Ich fragte sie zuerst: Liebe Frau, wie lange ist Bruder Klaus von euch fort? Sie antwortete: Dieser Knabe, mein Sohn, wird am Fest von Johannes dem Täufer sieben Jahre alt. Als er dreizehn Wochen alt war, am Gallustag, schied Bruder Klaus von mir und ist seither nie mehr zu mir gekommen.”