Das „Wunderfasten“

Bald verbreitete sich weit herum die Kunde, dass Niklaus zurückgekehrt sei – und dass er nichts esse. Seit Monaten schon! War das möglich?
Seine Landsleute überprüften das Gerücht. Der Weihbischof von Konstanz liess Niklaus verhören. War er rechtgläubig? Unterstellte er sich der kirchlichen Autorität? Oder hatte er sich mit dämonischen Mächten verbündet? Die Inquisition warf ihre drohenden Schatten.
Schliesslich gelangten die Menschen in seiner Umgebung zur Überzeugung, dass Niklaus tatsächlich nichts esse. Weit herum in Europa verbreitete sich das Gerücht: Die Eidgenossen hatten in ihrer Mitte einen lebendigen Heiligen! Der Humanist Trithemius schreibt im Rückblick, er wisse wohl, dass die nachfolgenden Generationen sie für leichtgläubig halten würden. Doch sie hätten diese Sache kritisch geprüft. Nach allem, was sich wissen lasse, sei das eine Tatsache: Niklaus habe die letzten 20 Jahre seines Lebens nichts mehr gegessen.

„Neunzehn und ein halb Jahr lang“ bis an sein Lebensende habe Niklaus ausgeharrt im Fasten, gibt sein Seelsorger Oswald Ysner unter Eid zu Protokoll, „er hätte keine leibliche Speise benötigt, weder etwas zu essen noch etwas zu tinken“.
Niklaus selber antwortete jeweils auf neugierige Fragen, ob dem so sei, ob er wirklich nichts esse: „Gott weiss.“ Seinem Seelsorger vertraute er auf dessen verwundertes Nachfragen an, dass er die Kraft dazu in der Messe schöpfe. „Jedesmal, wenn er sehe, wie der Priester das Sakrament geniesse, dann empfange er davon eine grosse Hilfe, so dass er dadurch ohne zu essen und zu trinken leben konnte; ohne diese Stärkung vermöchte er es nicht“.

Von überall her kamen Neugierige und ernsthaft Suchende und wollten den Einsiedler sprechen und Rat und Trost und seine Fürbitte erhalten. Seine Landsleute bauten ihm eine Klause, und schon bald waren auch die nötigen finanziellen Mittel beieinander, um die Kapelle zu bauen und einen Kaplan zum Dienst an ihr zu bestellen.